10 Nov 2016

Columne - Hypes and Health



Ich bin vermutlich das, was man einen stillen Leser nennt. Kommt es unter Blogposts anderer zu Diskussionen, schalte ich mich nur selten ein. Meist überfliege ich nicht einmal die Kommentare anderer Leser, da die Themen der Blogs, auf denen ich so unterwegs bin, zum Großteil sowieso nicht Stoff für zündende Emotionen sind – denn wer diskutiert schon hitzig, ob ein Silkdress über einem Langarmshirt jetzt der Nummer eins Trend ist oder doch eher Back to Kindergarten (Was meint ihr?). Oder ich habe mich schon auf eine Meinung festgelegt und dabei belasse ich es dann. So wie auch oft die Kommentarfunktion auf Facebook einem sinnlosen Einrennen gegen die Dummheit anderer Menschen gleich kommt, verhält sich das auch öfter mal in den Diskussionen zu schwierigen Themen auf Blogs und Co. Und es braucht schon viel, dass ich selbst mal meine Klappe aufmachen und mich einschalte. Vor ein paar Tagen war es dann wieder so weit.
Der ganze Trend um gesunde Ernährung geht mir in der Regel ziemlich auf die Nerven. Auch ich beschäftige mich mit dem, was bei mir auf den Tisch kommt und manchmal führt der Weg an Trends auch nicht vorbei, doch ich mache wenig Aufsehen um das, was bei uns Zuhause gekocht wird und noch weniger mische ich mich ein, was bei anderen so im Einkaufswagen landet. Warum? Weil ich auch hier meine eigene Meinung habe, es aber völlig ok finde, wenn meine Freunde und Bekannten andere Ansichten teilen. Es muss nicht immer kompliziert sein. Als ich gestern mit einer guten Freundin aus war, die sich in ihrem Leben dazu entschlossen hat vegan zu leben, haben wir uns trotzdem mitternächtliche Pommes geteilt, denn Pommes verbinden, das sollte die Message sein! Und nicht der vorwurfsvolle Blick, wenn statt Gemüsebratlinge im Restaurant ein Steak bestellt wird oder wenn der Kuchen zum Kaffeeklatsch aus einer Backmischung gezaubert wurde.

Aber zurück zum Thema. Normalerweise mische ich mich nur selten in die Diskussionen ein, die unter Blogposts so stattfinden. Es sei denn, ich habe wirklich eine starke Meinung zu einem Thema oder in diesem Fall einfach mehr Ahnung. Seit fünf Jahren ernähre ich mich nun schon glutenfrei. Warum? Nicht weil es das Coolste überhaupt ist, ich meinem Körper etwas Gutes tun möchte (obwohl, ein bisschen schon), dem neuesten Trend folge oder auf mich aufmerksam machen möchte. Im Gegenteil, ich würde beim Thema Ernährung lieber unter dem Radar schwimmen, nicht immer die Sonderbestellung aufgeben müssen, die Extrawurst sein, wenn ich bei Freunden zu Besuch bin. Nein, mein Körper hat nun mal entschieden, dass er diesen kleinen Inhaltsstoff der meisten Getreidesorten namens Gluten einfach nicht verträgt und mich stattdessen mich starken Bauchschmerzen und nicht abklingenden Entzündungen in meinem Magen-Darm-Trakt straft. Es war ein langer Weg bis meine Intoleranz überhaupt erst diagnostiziert wurde und ein noch längerer, sich mit der radikalen Ernährungsumstellung anzufreunden, sein Konsumverhalten umzustellen und im Monat unter dem Strich plötzlich ein bisschen mehr Kohle für die alltäglichen Lebensmittel hinzublättern.
Ganz am Anfang bin ich wahllos durch die Regale im Supermarkt gestolpert, habe mich über jedes Lebensmittel gefreut, welches das kleine durchgestrichene Getreidezeichen auf der Packung hatte, nur um an der Kasse dann zu schlucken, wenn die Aufbackpizza plötzlich sechs Euro gekostet hat oder das Brot vier. Daheim hab ich dann den Großteil in den Müll gepfeffert, einfach weil es – entschuldigt meinen Ausdruck – scheiße geschmeckt hat. Mein Essverhalten umzustellen hat ein Weilchen gedauert, von glutenfreien Ersatzprodukten wie Brot, Kuchen, Kekse etc. bin ich aber recht rasch abgekommen. Das war Anfang 2012. Heute, knapp fünf Jahre später boomt glutenfreie Ernährung, es ist ein regelrechter Hype und nicht selten kriege ich bei neuen Bekanntschaften zu hören, Ach, du ernährst dich auch glutenfrei? Das ist ja so gesund! Ist es das? Sicherlich nicht, wenn dir tagsüber auf Arbeit die Alternativen ausgehen, was du essen könntest und mal wieder nicht daran gedacht hast, dir etwas mitzunehmen. Dann wird eben gehungert bis in die Abendstunden, anstatt schmerzhafte Bauchschmerzen zu riskieren. Warum ich dennoch nicht zu Ersatzprodukten aus dem Supermarkt greife und mir dann ja ein Brot schmieren könnte? Der genaue Blick auf die Nährwerttabelle verrät schnell, dass der Hauptbestandteil von Produkten wie die von Schär und Co. sicher nicht Gluten ist, dafür jedoch eine einzige Zuckerbombe. Das ist sicherlich noch gesünder! Heute habe ich das Problem ganz gut in den Griff gekriegt, ich kenne genügend Marken, Läden und Produkte, die mir im Alltag eine echte Alternative anbieten, eine, die glutenfrei und gesund ist. Glutenfreie Ernährung ist längst ein Teil von mir und nichts, worüber ich groß grüble. Im Gegenteil, es geht mir gut, denn glutenfreie Ernährung bietet viele Vorteile und ist unheimlich gesund – wenn man die Sache richtig angeht.

Um auf den Hype um glutenfreie Ernährung zurück zu kommen: Ich bin dankbar, dass mir Hersteller wie Schär und Co. in manchen Situationen einen Ausweg anbieten, etwa wenn im Hotel extra glutenfreie Produkte für mich bereit liegen oder ich trotz allem nicht auf meine geliebte Pasta verzichten möchte. Die glutenfreien Produkte jedoch als echten Gesundheitsinput zu verkaufen, ist schlichtweg falsch, denn diese zuckerbepackten Artikel sind nicht nur wahre Dickmacher, sondern schädigen auf langfristige Sicht auch die Gesundheit (Der Insulinspiegel grüßt aus den Wolken). Es ist nicht gesünder auf das gute, frischgebackene Brot vom Bäcker zu verzichten, um stattdessen auf die plastikverpackten, glutenfreien Zuckerbomben zurückzugreifen. Es ist nicht gesünder, auf eine Hand voll Oreo-Kekse zu verzichten, um sich dann die vermeintlich gesunden glutenfreien Kekse ohne Reue und schlechtes Gewissen reinzuziehen. Wer denkt, dass man mit der Umstellung auf glutenfreie Produkte den Weg in eine gesunde, ausbalancierte Ernährung gefunden hat, liegt falsch. Denn am Ende kommt es immer auf das richtige Maß an und vor allem darauf, sich vorher gründlich zu informieren, anstatt blind dem Hype, in diesem Fall dem kleinen durchgestrichenen Getreidezeichen zu folgen.
Gründlich informiert hat sich in der vergangenen Woche wohl auch eine Bloggerin, die in Kooperation mit Schär die glutenfreien Produkte angepriesen und verlost hat. Gründlich informiert hat sich sicher auch Schär, welche die großartige Idee hatten, mit einer Bloggerin zu kooperieren, die weder eine Unverträglichkeit hat noch die Ahnung, wie man gesunde Ernährung erfolgreich umsetzt – jedenfalls nicht durch glutenfreie Ersatzprodukte. Wirklich schade, dass eben jene Bloggerin kurz zuvor noch einige Posts über ein authentisches Image veröffentlicht und dann doch ihre Leser an einen Großkonzern wie Schär verkauft hat, der in erster Linie zu drastisch hohen Preisen von der Krankheit anderer Leute lebt. Das Krankenhaus lebt auch von kranken Leuten, um besagte Bloggerin an dieser Stelle wörtlich zu zitieren. Ganz sicher versucht das Krankenhaus aber nicht, gesunden Menschen zu raten, den Krankenhaus-Lifestyle zu leben. Oder habe ich den Infusionsbeutel-Hype etwa auch verpasst?


Und um das ganze, angespannte Thema ein wenig lockerer abzurunden, hier zum Schluss ein kleiner Fun Fact zum Thema Ernährungstrends und Healthy Lifestyle: Mein Office 2008 Paket respektive Word kennt den Begriff vegan schon mal nicht. Jeder Hype hat eben einmal einen Anfang. Und hoffentlich auch ein Ende.

LL